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Boheme in München und Berlin.

Literarisches Leben zwischen Expressionismus, Club Dada und Politik

Dada, ja, auch andere historische Avantgardebewegungen des frühen 20. Jahrhunderts sind inzwischen recht gut bearbeitet, wenngleich die Rezeption zögerlich einsetzte und die Zahl der Forscher, die sich in diesem Bereich tummeln, überschaubar geblieben ist. Dennoch existieren umfangreiche Darstellungen zur Entwicklung der einzelnen Innovations-Zentren und zu speziellen Aspekten ihres Umfeldes , ebenso wie zu Werk und Wirken einzelner Künstler , auch spezifisch-avantgardistische Genres und Formen wurden gut dokumentiert.

Vielleicht könnte es aber lohnenswert sein, die methodische Basis einmal etwas zu modifizieren. Gerade die Verquickung der verschiedenen Ismen, inhaltlich wie personal, die kulturhistorisch einzigartige Ausbildung eines globalen Netzwerks im Dienste der neuen Kunst weist darauf hin, dass man einmal diese Synergie- und Dependenzverhältnisse selber untersuchen könnte, also das kulturelle Feld, in dem diese Akteure sich betätigten. Sicher kommt das in der Behandlung – gerade des Berliner Dadaismus mit seinen interdisziplinären und interpolitischen Strategien – implizit zum Ausdruck , wenn er im Spannungsfeld der Theorien (Psychologie, Kommunismus), Provokationen (Baader-Aktionen, Dada-Soireen) und Foren (Zeitschriften: Freie Straße, Neue Jugend etc.) beschrieben wird. Das liegt in der Natur der Sache, da Dada für seine Anhänger eine umfassende ästhetische Ausdrucksform gewesen ist, die sich eben nicht nur in einer künstlerischen Betätigung äußerte, sondern die eigene Lebensumwelt mit einbegriff bis hin zu Habitus und Mode. Alltag und Gesellschaftlichkeit wurden konsequent mit gestaltet, sie fanden ihren Niederschlag in zahlreichen aufeinander bezogenen Initiativen und Einsatzfeldern.

Eine systematische Behandlung der kommunikativen, aber auch ökonomisch-infrastrukturellen Felder, welche die historischen Avantgarden ebenso definierten und entwarfen, wie sie zugleich Teil derselben waren, steht indes noch aus. Es ist dabei nicht nötig, solche Verhältnisse als irgendwie mystisch anmutende Systeme von Kraftlinien nach Art magnetischer Felder aufzufassen wie der junge Bourdieu.  Auch die Beschränkung auf das künstlerische Werk und die Art und Weise, wie dieses in einem solchen Feld verankert ist, wie sie der späte Bourdieu zu präferieren scheint , engt die Perspektive meines Erachtens zu sehr ein.
Anders gesagt: worüber ich hier rede, ist eine Verschiebung des Erkenntnisinteresses weg von der Werkebene, weg von der Programmatik hin auf das literarische Leben und die spezifische literarische Infrastruktur, welche die historische Avantgarde schuf. Literarisches Leben wird hier verstanden als ein Netzwerk verschiedenartigster Diskurs-, Äußerungs- und Handlungsformen, das sich vornehmlich auf die Sphären der Entstehung, Produktion und Distribution, der Vermittlung und Rezeption von Literatur erstreckt. Das heißt auch, es ist mehr als nur ein literarisches Feld, um das es hier geht. Dieses Netzwerk nämlich wird „von allen bewusst das literarische Leben mitgestaltenden Personen - zu bestimmten, außerhalb des Konstruktes >Literatursystem< liegenden Zwecken funktionalisiert“. 

Kulturelles Handeln ist immer schon ökonomisches, soziales, kommunikatives Handeln, kulturelle Kommunikation ist Kommunikation durch und über Kultur, und das gilt gerade für die Avantgardebewegungen. Der Dadaismus zum Beispiel stellte vor allem anderen eine Form auch von gesellschaftlichem Handeln dar, vermittelt über kulturelle Kanäle. Der Versuch, bestimmte subversive, die Institution Kunst attackierende Botschaften in die Gesellschaft weiterzuleiten, war ein zentraler Bestandteil seiner Operationsweise. An Bedeutung überlagerte, ja überwog das (sogar im Handeln und Trachten der jeweiligen Akteure) die tatsächlichen künstlerischen Elaborate – man denke etwa an Serners Bluffs, Blagues und Presse-Enten , das gesamte System aus Falschmeldungen und dadaistischer Luftblasenproduktion.

Das Ganze funktionierte nur, weil es eingebettet war in ein umfassendes „Betriebssystem“, eine Struktur aus Zeitschriften, Nachrichtenwegen und persönlichen Beziehungen, auch ein besonderes gesellschaftliches Klima, das gewissermaßen den geistesgeschichtlichen Rahmen bot. Gerade deshalb wird es wichtig, dieses Betriebssystem selbst in den Blick zu nehmen, Aktionsbereiche voneinander zu trennen, natürlich nur im Dienste der Systematik, denn diese Segmentierungen sind künstlich, heuristisch motiviert, ein klinischer modus operandi, in Wirklichkeit hängt alles mit allem zusammen, unleugbar, hier wie auch sonst in der Welt.

Das beginnt bereits beim Personal, selbst wenn man sich einmal auf eine spezifische Avantgardegruppe beschränkt, nehmen wir hier einmal den „Club Dada“ in Berlin: so sehr die bekannten Zentralgestalten des Berlin-Dada Zugehörigkeiten und Abgrenzungen propagierten, so schwer ist es doch, eindeutige Festlegungen vorzunehmen. Dada „war in Berlin nie eine über einen längeren Zeitraum zusammen arbeitende Gruppe wie die `Spiegelgassendadaisten´ in Zürich, […] vielmehr die Summe von Aktionen einzelner und Teilgruppen beteiligter Künstler und Literaten.“  Der „Club Dada“ teilte sich in zwei Fraktionen: den eher anti-autoritär-libertären Flügel, dem Richard Huelsenbeck, Johannes Baader und Raoul Hausmann zuzurechnen waren sowie die kommunistisch-spartakistische Gruppe um Franz Jung, Wieland Herzfelde, John Heartfield, George Grosz und Walter Mehring, die von Grosz´ Charisma beherrscht wurde. Spannungen und flügelinterne Streitigkeiten waren an der Tagesordnung, die Gruppenstruktur war eher lose.

Gleichzeitig gab es aber auch eine Reihe von Personen, die keine expliziten Dadaisten waren, nicht an öffentlichen Manifestationen teilnahmen o.ä., aber in der ein oder anderen Weise mit dem Club Dada in Kontakt standen, mit ihm sympathisierten wie Salomo Friedländer, der mit Hausmann und Baader befreundet war , wie Carl Einstein, der als Mitherausgeber der Dada-Zeitschrift „Die Pleite“ fungierte oder der Verleger A.R. Meyer (Spitzname „Munkepunke“). Else Hadwiger dagegen, Bekannte des Letzteren (Meyer betrieb u.a. in ihrer Wohnung seinen Verlag ) beteiligte sich direkt an der ersten Dada-Soiree (12.4.1918 im Saal der Sezession) und sorgte mit ihrer Lesung „futuristischer Verse“ (u.a. aus Marinettis „Zang Tumb Tuuum“) für den größten Eklat des Abends, was wohl weniger der Literatur selber lag als an der Dekoration: Ein Soldat wälzte sich in epileptischen Krämpfen auf dem Boden, Huelsenbeck betätigte sich im Hintergrund mit Trommel und Kindertrompete, Maschinegewehrfeuer wurde mittels einer Spielzeugrassel imitiert.  Nichtsdestotrotz tauchte Else Hadwiger in den dadaistischen Annalen gar nicht wieder auf. Ergo: Man kannte sich halt, und rein persönlich waren die Abgrenzungen eben nie so scharfkantig, wie es in der damaligen Manifest-Praxis wirkte und auch in den Rückblicken Einzelner bisweilen erschien – denn das ist teilweise erst nachträglichen Abgrenzungen geschuldet beim symbolischen Kampf um kunstgeschichtliche Lorbeeren und Positionen.

Das gilt auch im Verhältnis zum Expressionismus, der doch – gerade für die Berliner Dadaisten – die Hauptzielscheibe war. Tatsächlich waren die meisten Dadaisten in ihren Anfängen expressionistisch angehaucht, in der Forschung ist daher inzwischen unbestritten, dass „Dada keine Schöpfung aus dem Nichts war“.  Es ist denn auch kein Geheimnis, dass sich die meisten Dadaisten (Zürichs wie Berlins) bereits aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg kannten und darüber hinaus auch Verbindungen und Kontakte zu frühexpressionistischen Dichtern pflegten. Medien der Begegnung waren bohemistische Zirkel, in die auch politische Bewegungen hineinspielten, Hubert van den Berg hat ausführlich die Interferenzen zwischen Boheme und Anarchismus nachvollzogen  und demgemäß festgestellt, „dass sich Expressionismus und Anarchismus, insbesondere der intellektuelle Boheme-Anarchismus, im sozialen Kontext der Boheme berührten und teils überschnitten.“

So kann man für Vorkriegs-, Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit festhalten, dass Personen und Kreise aus diesem Spannungsfeld (Expressionismus, Dada, Boheme, Anarchismus und Kommunismus) vielfältig miteinander verwoben und vernetzt waren, gemeinsame Foren herstellten und nutzten, und auch im privaten Verkehr sehr viel miteinander umgingen. Will man das literarische Leben dieser Zeit erforschen, kann man sich nicht auf eine Gruppe, etwa Zürich- oder Berlin-Dada, beschränken, sondern muss dieses gesamte Beziehungsnetzwerk, das sich nach der Jahrhundertwende in München und Berlin herausgebildet hatte, miteinbeziehen.

Natürlich wirkt das zunächst einmal wie ein gewaltiger Flickenteppich, sehr unübersichtlich, zieht man an einem Faden, springt sofort ein ganz anderer Bezug und Zusammenhang heraus. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einmal exemplarisch einige Wahrnehmungsperspektiven herausgreifen, mit dem Zielpunkt Berlin-Dada, den Fokus hierbei auf einige Handlungsbereiche setzen, wobei in diesem Kontext nicht viel mehr als eine erste Skizze dessen möglich ist, was eine umfassende und konsequente Rekonstruktion aller dazu erforderlichen Parameter berücksichtigen könnte und müsste. Oder besser gesagt: was ich tun möchte, ist nicht viel mehr, als „Glossar“ anzubieten, Namen und Sachindizes enthaltend, auf dessen Basis es möglich wäre, eine „Sozialgeschichte der Avantgarde“ zu formulieren, die eine gewisse Aussicht hätte, über den bisherigen Forschungsstand hinauszugehen.

Voraussetzung dafür wäre aber eine Konsultation nicht nur sekundärer, sondern auch archivarischer Quellen unterschiedlichster Provenienz.  Das konnte hier nicht geleistet werden, sondern eher eine Vorarbeit, nämlich einige Fragen anzureißen, die als Leitlinie für eine derartige Quellenrecherche dienen könnten. Solche wären zum Beispiel: wer kannte wen (und woher)? Wo traf man sich? Wo trat man auf? Welche Sprachrohre gab es?

I Netzwerke, Kreise, Treffpunkte

Es erscheint simpel, indes, es ist trotzdem sinnvoll, einmal danach zu fragen, welche handelnden Personen im erweiterten Rahmen der Avantgarde auftraten und interagierten, da sich daraus Bezüge ermitteln lassen, die eben nicht auffallen, wenn man sich auf die Dada-Protagonisten konzentriert. Zunächst kommt hier das bohemistische Milieu München-Schwabings um die Jahrhundertwende in unseren Blick. Um die satirische Zeitschrift Simplicissimus hatte sich ein Kreis gebildet, zu dem Heinrich Mann, Frank Wedekind und Franz Blei gehörten. Man tagte im Café Stefanie an der Ecke Amalienstraße/Theresienstraße in der Maxvorstadt. Hier verkehrten unter anderem als Residenten oder Auswärtige Erich Mühsam, Gustav Landauer, Ernst Toller, Kurt Eisner, Frank Wedekind, Heinrich Mann, Otto Gross, Theodor Däubler, Eduard Graf von Keyserling, Hans Carossa, Arthur Holitscher, Hanns Heinz Ewers, Paul Klee, Leonhard Frank, Alexander Roda Roda, Gustav Meyrink, Johannes R. Becher und Emmy Hennings – schon diese Liste von Namen präsentiert ein buntes Kaleidoskop von Namen aus expressionistischen, späteren dadaistischen, aber durchaus auch prä-expressionistischen Zusammenhängen (Däubler, Mann, Mühsam), aus der Boheme bis hin zum (rechtslastigen) Dandyismus (Ewers) und zur politischen Linken (Toller, Frank, Eisner). Ebenso wie dem Berliner Café des Westens (s.u.) wurde dem Café Stefanie im Volksmund der Titel „Café Größenwahn“ verliehen.

Erich Mühsam, der in diesem Milieu eine zentrale und gerade auch zwischen verschiedenen Kreisen verbindende Rolle einnahm, hat in seinen Tagebüchern die Aktivitäten der Münchener Boheme zwischen erotischen, künstlerischen und politischen Abenteuern festgehalten, die sich neben dem Café Stefanie auch in der Torggelstube abspielten, hier tagten aber, so Franz Jung in seiner Autobiographie, eher die „älteren Semester […] die Wedekind, Halbe, Bierbaum, Bleibtreu und so weiter, die Redaktuere und Mitarbeiter des Zeitschriften `Simplicissimus´und `Jugend´“.  Außerdem pflegte man erotische Begegnungen in privaten Zirkeln wie dem von Mühsam so genannten „Lotte-Uli“-Kreis, in der Künstlerpension Fürmann wohnten zahlreiche Mitglieder der Boheme, u.a. auch Else Lasker-Schüler, wenn sie in München weilte, aber auch Franz Jung mit seiner Frau Margot und viele andere, mitunter feierte man dort die Nächte durch, was einmal die Lasker-Schüler zu Revolverschüssen reizte (einmal mehr: muss man sagen…).

Mühsam annotierte auch jene Affäre, um die Verführung und Schwängerung seines minderjährigen Mündels durch den Hugo-Ball-Freund Hans Leybold, nach dessen Tod kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, in die auch Ball verwickelt war, auch hier könnte sich ein Blick in die Gerichtsakten lohnen.  Ball war übrigens erst 1912 nach München gekommen, in der Endphase der dortigen Boheme. Er arbeitete als Dramaturg des „Münchener Lustspielhauses“, neben Leybold lernte er hier Emmy Hennings und Richard Hülsenbeck kennen, der hier eine seiner zahlreichen Studienstationen nahm, Kontakte bestanden auch zu Wedekind.
Ein weiterer Treffpunkt war in München das Café Luitpold, das neben vielen der oben Genannten der Aachener Autor Karl Otten frequentierte, einen seiner ersten Auftritte in diesem Umfeld beschrieb er so:

Schnittpunkt all dieser minutiösen, dem Laienauge und Ohr nicht vernehmbaren Beben war das Café Luitpold, wo roter Plüsch, weisser Stuck und goldenes Gold die Söhne der großen Vateridole umwob. Mir fast den Atem verschlug, als ich eines Nachmittags in einem der Wabenzimmer des Cafés Carl Sternheim mit Franz Blei, Heinrich Mann und Wedekind an einem Tisch laut und agierend die Welt zerfetzen sah. Ich näherte mich errrötend wie ein Mädchen, nein wie ein in Verehrung halb erstickter Sohn dem Altar, wo mich Heinrich Mann vorstellte. Sternheim schnarrte: `Na, Sie sind wenigstens erziehbar. Setzen Sie sich doch. Wedekind hat grade meinen Don Juan als romantische Sauce zerrissen.´

Otten hatte Sternheim 1909 kennen gelernt, als dieser zur Kur in Aachen weilte. Sternheim empfahl ihn an Franz Blei, somit zog er zum Studium nach München. Dort geriet er unter anarchistischen Einfluss, besuchte Versammlungen der TAT-Gruppe, die „von Erich Mühsam, dem Maler Georg Schrimpf, Oskar Maria Graf und Franz Jung im Geiste von Gustav Landauers >>Aufruf zum Sozialismus<< geleitet“  wurde, hier traten auch Heinrich Mann und Wedekind als Redner auf.  Das zeigt, wie stark der anarchistische Einfluss auf die Schwabinger Künstlerboheme war, wenngleich Hubert van den Berg zuzustimmen ist, der den tatsächlichen politischen Motivationsgehalt dieses „intellektuellen Anarchismus“ stark relativiert. 
Gerade Karl Otten jedoch hat durchaus Beziehungen zu revolutionären Zirkeln bekommen. Nach polizeilicher Darstellung sei er dort von der Polin Zylle Stamm   eingeführt worden, um dann zusammen mit Friedrich Flierl, Bernhard Baruch Brünner und Robert Scheidegger einen Saccharin-Schmuggel zu unternehmen, zwecks Finanzierung einer anarchistischen Zeitschrift. Otten wurde aber gefasst und vom Münchner Landgericht I verurteilt. 

Franz Jung dagegen, der sich später doch eine starke Rolle in den revolutionären Kämpfen der Weimarer Republik spielen sollte, hatte zu diesem Zeitpunkt für derlei Aktivitäten nicht viel übrig: nach Erinnerung Oskar Maria Grafs habe Jung Mühsam und Landauer gegenüber geäußert: „Das ist doch alles Quatsch! […] Anarchismus, direkte Aktion und so … Überhaupt – Humbug, das mit dem Staat der gestürzt werden muß... Das sind rein funktionelle Angelegenheiten… Nur Idioten quatschen da von Revolution und so…“  Auch Mühsam betrachtete Jung als Querulanten, der die politische Arbeit mehr störte denn beförderte: „Abends war im Gambrinus Gruppensitzung. (…) Zu meinem Schrecken hatte Morax [d.i. Karl Schultze, Anm. e.s.] allerlei peinliche Gestalten aus dem Café Stefanie und der Pension Führmann mitgebracht. Fritz Klein mit seinen proletarischen Gebaren saß da […] und Herr Franz Jung mit Frau Margot.“  Mühsam empfand die Verbindung der verschiedenen Kreise eher als problematisch, bezeichnete Jung und Klein als „innerlich verwahrloste Menschen“, die nun auf die politisch-engagierten Arbeiter stießen, „für die innerliche Festigkeit gerade das Lebensbedürfnis ist, das sie zu uns führt. Frl. Brünn machte mich darauf aufmerksam, wie an einem Tisch (Klein) von Leihhaus und Geldbeschaffung gesprochen wurde, am anderen, wo nur Arbeiter saßen, von Kropotkin.“ 

Ganz bruchlos fand die Verschmelzung dieser verschiedenen Milieus offensichtlich nicht statt. Obwohl Jung im Rückblick selbstkritisch unnötige Provokationen einräumt , wird es tatsächlich auch inhaltliche Gründe gegeben haben, die ihn in Widerspruch zum TAT-Kreis setzten, so berichtet Mühsam an anderer Stelle: „In der Gruppe Tat kam es am Montag zu einem kleine Eklat. Herr Franz Jung begann erst wüst über Landauer zu schimpfen und dann auch meine Tätigkeit einer Kritik zu unterziehen.“

Jung setzte (man muss sagen: zu jener Zeit), nicht zuletzt aufgrund des Einflusses von Otto Gross, auf eine Änderung des Menschen selbst, die jeder Revolution vorangehen müsse. Noch 1915 betont Jung in seinem Beitrag „Feinde ringsum“: „Es ist unerheblich gegen den Staat zu sein. Gesetze sind eine kindliche Vorstufe.“  Van den Berg hat ausführlich gezeigt, wie Jung die revolutionäre Psychologie Otto Gross’  entpolitisierte.  Dessen Psychoanalyse war unleugbar ein weiterer wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang, Gross’ Ruf nach einer befreiten Sexualität wurde von der Schwabinger Boheme gerne vernommen, stand die Revolte doch schon seit der Jahrhundertwende ganz im Zeichen der Sinnlichkeit, die gegen die puritanische, lebensfeindliche Welt der Wilhelminismus in Stellung gebracht wurde. Karl Otten hat die Anregung zur kritischen Selbstanalyse, die Otto Gross auf nicht ganz undogmatische Weise vermittelt zu haben scheint, bei aller Sympathie recht anschaulich in seinem letzten Roman „Wurzeln“ (1963)  karikiert, recht unverschlüsselt sind hier auch Erich Mühsam, Franz Jung und Otto Gross als Figuren zu erkennen.

Otto Gross, der von ihm propagierte primäre Gesellschaftskonflikt zwischen „Eigen“ und „Fremd“, sie stellen auch eine Linie der Kontinuität zwischen der Schwabinger Vorkriegs- und der Berliner Kriegsboheme dar. Jedoch nicht nur das, um 1913 kam es zu einem regelrechten Exodus, so schreibt Franz Jung, dass seine stark in der Münchener Boheme verankerte erste Frau Margot “den größten Teil der Leute, mit denen sie im Stefanie zusammengesessen hatte, bereits wenige Monate später im Café des Westens am Kurfürstendamm wiedertreffen“  konnte.
Ein verbindendes Element war in besonderem Maße die Person von Else Lasker-Schüler, die im Berliner Milieu eine ähnliche Funktion ausübte wie Mühsam in München. Sie selbst war durch den Kontakt zum Dichter-Tramp Peter Hille („rührend wie ein Weihnachtsmann ein alter, graubärtiger Mann, von allen respektiert und geliebt“  – so Stefan Zweig) in die Berliner Avantgardekreise geraten, Hille führte sie ein „in den Kreis der `Kommenden´  um Ludwig Jacobowski und Rudolf Steiner, die sich im Nollendorf-Casino treffen, in der Kleiststraße 41, sowie zur `Neuen Gemeinschaft´ der Brüder Hart.“  Hier handelte es sich also noch um Ausläufer des Friedrichshagener Kreises. Zentraler Treffpunkt war – wie oben bereits anklang - das „Café des Westens“ am Kurfürstendamm 18/19, Ecke Joachimstaler Straße, wo sich heute das Kranzler-Eck befindet. Alfred Döblin, der spätere Expressionist, noch spätere Großromancier traf sich hier nicht nur „mit der Lasker-Schüler, Peter Hille“, sondern er betonte auch: „Man hatte Tuchfühlung mit Richard Dehmel, mit Wedekind, Scheerbart.“ 

Die Alten und die Jüngsten also standen durchaus in Kontakt. 1901 hatte Else Lasker-Schüler Georg Lewin alias Herwarth Walden geheiratet, den späteren Herausgeber der Zeitschrift „Sturm“ (ab 1910), der im Café des Westens einen Kreis um sich scharte. Gleiches gilt für seinen politisch radikaleren Kontrahenten Franz Pfemfert, Herausgeber der „Aktion“, der quasi am Tisch nebenan residierte – dazu später mehr.
Aus der „Freien Wissenschaftlichen Vereinigung“, einer Studentenverbindung, entwickelte sich 1909 um Erwin Loewenson und Kurt Hiller der „Neue Club“ , Keimzelle des Frühexpressionismus. Dieser stand sowohl mit dem „Sturm“- als auch dem „Aktions“-Kreis in Verbindung. Der „Neue Club“ tagte zunächst wöchentlich, und zwar genauso wie „Die Kommenden“ im Nollendorf-Kasino, zusätzliche Treffen gab es im „Café des Westens“. Aus anfänglich wenig erfolgreichen Diskussionsabenden entstand nach und nach das „Neopathetische Cabaret“ mit zahlreichen Veranstaltungen (vgl. II), hier stießen Jakob van Hoddis, Ernst Blaß und Georg Heym zum „Neuen Club“; 1911 wurde Kurt Hiller ausgeschlossen, mit Georg Heyms frühen Tod 1912 hörte dann auch der „Neue Club“ auf zu existieren.

Das Klima des Café des Westens mit seinen verschiedenen Gruppierungen gibt sehr schön ein Zitat des Künstlers und Bohemiens John Höxter wieder, auch er mit Verbindung zu Dada-Berlin (so war er der Begründer der Zeitschrift „Der blutige Ernst“, die ab der dritten Nummer von Carl Einstein und Georg Grosz übernommen wurde):

Aus der Nische vom Zeitschriftenschrank her ruft mir mit Alter und Programm entsprechendem Temperament der um seinen Führer, den Dr. Kurt Hiller, versammelte Kreis der damals Jüngsten zu, die `Neopathetiker´, Inventoren, der nach Kerr benannten `Fortgeschrittenen Lyrik´: Jakob van Hoddis, Teilhaber meiner Zwei-Zimmer-Wohnung, Georg Heym, der mir hierzu ein geblümtes Biedermeiersofa gestiftet hatte, gestiftet unter der Bedingung, über Zimmer und Möbel wöchentlich einmal zu sinngemäßer Verwendung verfügen zu dürfen, Ernst Blaß, Walter Mehring usf. […] Aber schon am nächsten Tische bleibe ich wieder hängen. Herwarth Walden `Sturm´-gesellen, Else Lasker-Schüler, Dr. Döblin, Peter Baum, Dr. S. Friedländer-Mynona und Karel [sic!] Einstein haben Besuch aus Wien erhalten; Karl Kraus und Adolf Loos führen ihre neuste Entdeckung, den Maler Oskar Kokoschka, den Berlin vor. […] Nun bemerke ich auch einige Tische weiter unten meinen eigentlichen, alltäglich-allnächtigen Kameraden Erich Mühsam, Ferdinand Hardekopf, René Schickele, Rudolf Kurtz, Ali Hubert, Benno Berneis, Lotte Pritzel, Emmy Hennings und Spela ein neues Gesicht; der Maler Max Oppenheimer [Mopp] aus Prag ist hier der neue Mann.

Deutlicher könnte die Durchmischung der Szenen nicht dargestellt werden, (spätere) Dadaisten und Expressionisten einmütig beieinander. Walter Mehring  und Wieland Herzfelde  bekannten im Übrigen übereinstimmend, dass sie sowohl den „Sturm“ als auch die „Aktion“ abonniert hatten, d.h. die pur-ästhetisch ebenso wie die politisch motivierte Richtung des Expressionismus goutierten. In Else Lasker-Schüler, die, wie gesehen, Verbindungen ins 19. Jahrhundert ebenso besaß und pflegte wie zu den jüngsten expressionistischen und wortkünstlerischen Entwicklungen, konzentrierte sich diese Pluralität der Stile. Auch persönlich: so unterhielt sie enge Kontakte zum jungen Gottfried Benn, aber auch zum ganz anders gearteten Karl Kraus, nachdem der sich längst mit Walden überworfen hatte.

Die späteren radikalen Dadaisten und Kommunisten Helmut (=John Heartfield) und Wieland Herzfelde waren ihre größten „Fans“, als solcher schrieb Wieland 1913 – noch als Abiturient - einen unerhörten und ungewöhnlich langen Brief an sie , in dem er Lasker-Schüler duzte, als große Schwester bezeichnete und sie bat, sich um seinen Bruder zu kümmern. Tatsächlich lernten die Herzfeldes sie bald darauf kennen, Lasker-Schüler widmete ihnen das Gedicht „Wir drei“ und verschaffte ihnen ein Entrée in der Berliner Kunstszene.  Nicht ohne Grund benannte Herzfelde seinen Malik-Verlag wenig später nach einer Romanfigur der Else Lasker-Schüler.

1915/16 lernten die Herzfeldes George Grosz kennen, der zu diesem Zeitpunkt noch völlig unbekannt war, seine radikale und heftige Kunst wurde noch nicht verstanden, von Kunsthändlern und Verlegern missachtet. Harry Graf Kessler, der sich schon früh für diesen Kreis einsetzte, vermerkte in seinen Tagebüchern zur „neuberlinischen Kunst“ von Grosz, Herzfelde, Becher, Benn: „Eine höchst cerebrale, illusionistische Kunst […] Blitzlichtkunst mit einem Parfüm von Laster und Perversität wie jede nächtliche Grosstadtstraße“

Ein zweiter Kreis, der sich bald mit den Herzfelde/Grosz zum Club Dada zusammenschließen sollte, war jene Verbindung um den „Verlag Freie Straße“, an dem einige Mitglieder der ehemaligen Schwabinger Boheme mitwirkten, Georg Schrimpf, Richard Oehring und Franz Jung. Sie widmeten sich der Weiterentwicklung von Otto Gross’ Psychoanalyse, über die sechs so genannten „Vorarbeiten“ der „Freien Straße“.  Otto Gross arbeitete im Übrigen auch selbst an diesem Projekt mit. 1916 stieß Raoul Hausmann hinzu, wenig später kam es zu einer Verschmelzung der Verlagsorgane, die sechste Ausgabe der „Freien Straße“ erschien nun schon unter der Verlagsbezeichnung „Malik-Verlag“ (dagegen figurierte die erste Publikation des Club Dada wiederum als Prospekt des Verlages Freie Straße). Herzfelde wurde zwischenzeitlich eingezogen, und Erwin Piscator leitete in Flandern seine Funkerausbildung, auch er beteiligte ja später an den Berliner Dada-Manifestationen.  Als Herzfelde im Frühjahr 1917 von der Front zurück nach Berlin kam, hatte sich die Gruppendynamik einigermaßen verändert: „Franz Jung übte in meiner Abwesenheit einen Einfluß auf Grosz und vor allem auf John aus, dem energisch entgegenzutreten ich für geboten hielt.“ 
Ebenfalls 1917 kam Richard Huelsenbeck aus Zürich nach Berlin und brachte die Botschaft Dadas.

Der Szene-Treffpunkt war zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr das Café des Westens, der ehemalige Besitzer Ernst Pauly hatte ein neues Café an anderer Stelle errichtet, die Literaten- und Künstlerbohème machte den Umzug nicht mit. Doch soll es bereits vorrangige Gründe gegeben haben, darüber kursieren mehrere Versionen, sei es, dass man Else Lasker-Schüler  wegen mangelndem Verzehr des Lokals verwies oder dass dieses Hausverbot mit einer anderen Affäre zu tun hatte, demnach nämlich habe Wieland Herzfelde Kurt Hiller, der die Lasker-Schüler beleidigt hatte, öffentlich geohrfeigt.  Wie dem auch sei, ab 1915 das verlagerte sich der Avantgarde-Stützpunkt ins „Romanische Café“ (Kurfürstendamm 238, heute Budapester Straße 43).

All diese Namen und Verbindungen, die zirkelübergreifenden Zusammenhänge machen deutlich, wie sehr es sich wirklich um ein literarisches Feld handelt, in dem die verschiedenen avantgardistischen Bestrebungen der 1910er Jahre sich auswirkten. Ja, bereits vom Naturalismus ausgehend, scheint es eine von bestimmten Einzelpersonen getragene Kontinuität über den Frühexpressionismus bis zum Dadaismus gegeben zu haben, Namen wie Wedekind, Scheerbart und, wie gesagt, Mühsam und Lasker-Schüler fungieren hier als Katalysatoren, die augenscheinlich zwischen verschiedenen Lagern zu vermitteln verstanden, die in ihren Beziehungen ausgriffen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Zum anderen geben sich hier bestimmte Aktionsfelder erkennen, die als Sachindizes für eine weiter gehende Erfassung archivarischer Quellen von Bedeutung sein könnten – Gewerbeakten über die genannten Etablissements, Gerichts- und Polizeiakten als Zeugnisse überwachender Aktivitäten und Ähnliches.

II Zeitschriften und Veranstaltungsorte

Ein Blick auf die spezifischen Zeitschriften und Veranstaltungsorte jener Zeit wird das Bild einer bei aller Heterogenität zutiefst miteinander verflochtene Szene noch komplettieren. Eine regelrechte öffentliche Veranstaltungsszenerie begann sich damals gerade erst zu entwickeln, im Café des Westens entstanden 1901 Deutschlands erste Kabaretts, Ernst von Wolzogens „Überbrettl“ sowie Max Reinhardts literarisches Kabarett „Schall und Rauch“.

Nicht von ungefähr figurierten die Veranstaltungen des „Neuen Clubs“ daher wohl als „Neopathetisches Cabaret“.  Nach einem kurzen Vorlauf  (ab Juli 1909 wurden bereits eine Reihe von Abenden mit Musik und Rezitation veranstaltet) fanden seit dem 1.7.1910 seit dem 1.7.1910 im Vereinszimmer des Café Austria, Potsdamer Str. (jeden ersten Mittwoch im Monat) Veranstaltungen statt, neben Lesungen und Vorträgen Georg Heyms, van Hoddis’, Max Brods, Kurt Hillers, Ernst Blaß’, Peter Baums und Wilhelm Simon Ghuttmanns wurden aber auch Dichtungen von Hofmannstahl, Rilke, Wedekind, Altenberg, Lasker-Schüler u.a. dargeboten, die eher nicht ins Umfeld des Frühexpressionismus passten; Herwarth Walden trat sehr häufig als Pianist auf, und mit Mynona, Ferdinand Hardekopf und dem Anarchisten Anselm Ruest waren bereits Personen aus dem erweiterten DADA-Umfeld beteiligt. Nach dem Ausschluss Kurt Hillers gründete dieser 1911 als Gegenprojekt zum das „Cabaret Gnu“ das bin März 1914 bestand. Das „Neopathetische Cabaret“ existierte bis zum Tod Georg Heyms, die letzte Veranstaltung war eine Gedenkfeier für ihn am 3. April 1912. Der „Neue Club“ stand mit den konkurrierenden Unternehmungen Franz Pfemfert („Aktion“) und Herwart Walden („Sturm“) in Verbindung, in beiden Organen wurden Texte der „Club“-Mitglieder veröffentlicht.

Herwarth Walden hatte schon vor den eigentlichen „Sturm“-Aktivitäten einige kulturelle Projekte betreut, so den „Verein für Kunst“, in dem er Lese-Veranstaltungen und Vorträge von so unterschiedlichen Dichtern, Architekten und Wissenschaftlern wie Peter Altenberg, Richard Dehmel, Alfred Döblin, Arno Holz, Karl Kraus, Heinrich und Thomas Mann, Alfred Mombert, Rainer Maria Rilke, Paul Scheerbart, Frank Wedekind, Lovis Corinth, Adolf Loos und Henry van de Velde organisiert hatte. Im Januar 1908 übernahm Walden die Redaktion des „Magazin für Literatur des In- und Auslandes“, schon hier ließ er Schriftsteller, Kritiker und Essayisten seiner Generation zu Wort kommen und wurde bald aufgrund seiner „zu modernen“ Literatur-Auffassung entlassen.  Nicht anders erging es ihm mit der Zeitschrift „Morgen“, die er im September 1908 übernahm, und mit „Der neue Weg“, dem Organ der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, deren Schriftleitung er von 21. Januar bis 14. Februar 1909 innehatte. Nach einem weiteren kurzen Zwischenspiel als Herausgeber von Theater gelang es Walden endlich, seine eigene Wochenschrift ins Leben zu rufen in der Hoffnung, „daß an die Stelle des Journalismus und Feuilletonismus wieder Kultur und Künste treten können“ , wie er in der ersten Nummer des Sturm vom 3. März 1910 vorwegschickte.

Walden konnte sich dabei auf seine bestehenden Verbindungen stützen, so gehörten zu den Beiträgern des ersten Jahrgangs nicht nur Dichter des beginnenden Expressionismus wie Döblin, Ehrenstein, van Hoddis, Kokoschka, René Schickele, Ludwig Rubiner etc., sondern auch ältere Literaten und Wissenschaftler wie Altenberg, Holz, Heinrich Mann, Scheerbart, Strindberg, Wedekind und Sigmund Freud. Mit Rudolf Blümner war gleichfalls schon Waldens langjähriger Mitarbeiter und späterer Geschäftsführer des „Sturm“ mit von der Partie. Um das Jahr 1912 fielen viele dieser Autoren weg: Heym starb, van Hoddis wurde geisteskrank, Else Lasker-Schüler, von der sich Walden 1911 scheiden ließ, veröffentlichte ab da nur noch wenig im „Sturm“, auch kam es zum Dissens mit Karl Kraus.
Sehr erfolgreich dagegen war das Engagement des „Sturm“ in Sachen Bildende Kunst, insbesondere die erste Ausstellung mit Werken italienischer Futuristen in Deutschland (April 1912), die Walden organisierte, war ein spektakulärer Erfolg, der dazu führte, den Organisationapparat gewaltig zu vergrößern, seine zweite Frau Nell Walden erinnerte sich:

„Bereits im Juni 1913 waren nicht nur Redaktion, Verlag und Privatwohnung, sondern auch die Ausstellungsräume in der Potsdamer Straße 134A untergebracht […] Allmählich vergrößerte sich die Bewegung derart, daß wir in dem Hause Potsdamer Str. 134A nicht weniger als sieben Wohnungen inne hatten, um Ausstellungsräume, Redaktion, Verlag, Privatwohnung mit der Sammlung und Kunstschule des STURM aufnehmen zu können. Dazu kam dann auch eine STURM-Kunstbuchhandlung (eröffnet 1917), einige Häuser näher am Potsdamer Platz (Potsdamer Straße 138A). Bis Ende der zwanziger Jahre hatte der STURM diese Lokale inne.“

An neuen Autoren stießen unter anderem Hermann Essig, Kurt Heynicke, Adolf Knoblauch und insbesondere August Stramm zum „Sturm“-Kreis, am Werk des Letzteren entwickelten Walden, Lothar Schreyer und Rudolf Blümner die Wortkunsttheorie des „Sturm“ , die allerdings in einigem auf frühere Positionen Arno Holz’ zurückging.  Ab 1916 fanden die „Sturm“-Kunstabende in der Galerie Der Sturm statt, im Winter 1916/17 wurden insgesamt 67 Abende auch außerhalb Berlins organisiert.  Insgesamt muss man sagen, dass der „Sturm“ ganz offensichtlich gerade mit seiner Konzentration auf explizite Theorien und Maximen aus der Szenevielfalt ausscherte, einen eigenen sehr viel festeren Zusammenhang pflegte, Querverbindungen verschwanden nach 1912.

Anders die „Aktion“ Pfemferts: Dieser hatte seit Bestehen der Zeitschrift (1911) eng mit den jungen Expressionisten zusammengearbeitet: „Zweifellos profitierten Pfemfert und Kurt Hillers `Neuer Club´ wechselseitig voneinander. Die `Aktion´ warb 1911 für das `Neopathetische Cabaret´ und veröffentliche als erste Zeitschrift Texte der Club-Mitglieder.“  1913 kam es zwar zum Bruch mit dem „Neuen Club“, dessen Autoren Pfemfert mangelnde, revolutionäre Ernsthaftigkeit attestierte.  In den „Autorenabenden“ der „Aktion“, die seit dem 22. März 1911 ebenso wie das „Neopathetische Cabaret“ im Café Austria stattfanden, kamen weiterhin „Club“-Literaten wie W.S. Ghuttmann, van Hoddis und Georg Heym zu Wort. Und nicht nur sie: Beim „Revolutionsball der Aktion“ traten mit Heinrich Mann und Franz Blei jene „älteren Semester“ als München an, die Franz Jung so despektierlich in die Vergangenheit rückte.

Die Anzeige dafür atmete durchaus prä-dadaistischen Esprit: „Am Montag, den 23. Februar, findet (wieder im Brüdervereinshaus) die Nachfeier statt mit römischem Sklavenaufstand und internationalem Apachen-Kongreß.“
Die Autorenabende liefen regelmäßig durch bis 1918, neben Vorträgen über Literatur, Musik, Malerei, Kino, Bühne und Politik lasen u.a. Benn, Carl Einstein, Richard Oehring, Hardekopf, Franz Jung, Friedländer und immer wieder: Else Lasker-Schüler. Beim IV. Autorenabend am 17. Mai 1913 las Ghuttmann (Ex-„Neuer Club“) Texte von Emmy Hennings (bald Dada), man sieht, die Verflechtungen hören nicht auf.

Die Zeitschrift selbst war, jedenfalls nach Einschätzung Franz Jungs, ein offenes Forum: "Wer überhaupt etwas auszusagen hatte, in welcher Form immer, in glatten oder holprigen Versen, es kamuf den Willen zur Aussage an, den inneren Zwang, den dynamischen Druck zur Aussage, hatte Zugang zur Zeitschrift; er war willkommen."  Neben jüngster Lyrik brachte Franz Pfemfert aber auch Aufsätze zur politischen Tagesgeschichte, zu den sozialen Aporien der Gesellschaft, anarchistische Klassiker wie Bakunin, Proudhon und Kropotkin wurden in diesem Kontext diskutiert. Die Beiträger wurden, so Jung, zur sozialkritischen Analyse angehalten, das machte Renommee und Charakter der Zeitschrift aus. Schon deshalb war bei den frühexpressionistischen Dichtern, zumindest jenen, die um erweiterten "Aktions"-Umfeld zu rechnen waren, und das galt für die Mehrzahl, jener Radikalprotest, der sich später im Dadaismus Luft machte, bereits im Keim angelegt. Selbst Franz Jung, der kaum im Verdacht steht, literarische Errungenschaften in ihrer politischen Bedeutung zu überschätzen, urteilt demgemäß: "der Expressionismus war bereits Teil einer revolutionären Bewegung mit sehr starken politischen Akzenten der Sozialkritik." 

Auch wenn wir uns hier im Bereich reiner Spekulation bewegen, ist wäre dennoch einmal interessant, die Frage zu erörtern, welches Verhältnis zu Dada denn die größten expressionistischen Lyriker wie Heym und van Hoddis eingenommen hätten, wären sie noch am Leben bzw. noch bei klarem Verstande gewesen. Immerhin wurden van Hoddis Verse 1917 in der Galerie Dada vorgetragen und ernteten große Zustimmung... Franz Pfemfert war es im Übrigen auch, der in seinem Verlag "Der rote Hahn" die einzige Einzelpublikation van Hoddis' zu Lebzeiten herausbrachte – ebenso wie Karl Ottens Gedichtband "Die Thronerhebung des Herzens". Gerade im Kontext der "Aktion" also erweist sich die Avantgarde-Szene in einem Maße zutiefst untereinander verwoben.

Das zeigte sich auch in München, wo Emmy Hennings, die zu dieser Zeit durchaus schon eine gewisse Popularität besaß, 1913 im „Simplicissimus“ auftrat.  Beeinflusst von der „Aktion“ war es im selben Jahr im Verlag Heinrich S. Bachmair zur Begründung zweier kurzlebiger Zeitschriftenprojekten gekommen, der "Neuen Kunst", herausgegeben von Otten, Johannes R. Becher, Bachmair und Josef Amberger, sowie der „Revolution“, herausgegeben von Hans Leybold. Von der "Neuen Kunst" erschienen 1913 lediglich drei Hefte, darin finde sich Beiträge Balls, Benns, Blass', Daublers, Ehrensteins, Friedländers, Hennings', van Hoddis', Jungs, Lasker-Schülers und Alfred Wolfensteins, erneut ein Who-is-who der Expressionisten und Dadaisten, inklusive der "üblichen", von den Jüngeren geschätzten Vorläufer (Däubler, Lasker-Schüler).

Solche Zusammenstellungen waren kein Einzelfall, und sind nicht etwa nur damit zu begründen, dass hier jüngere Autoren und Herausgeber sich bekannterer Literaten vergewissern, um mehr Aufmerksamkeit auf ihr Projekt zu lenken. In René Schickeles "Weissen Blättern", die gewiss etwas traditioneller daherkamen, fehlten zwar Jung, Hausmann oder Hülsenbeck unter den Beiträger, es fanden sich aber auch Herzfelde, Hennings, Harry Graf Kessler, Lasker-Schüler, Mynona und als "Link" ins 19. Jahrhundert Peter Hille, dazu kamen politisch motivierte Autoren wie Rosa Luxemburg und Gustav Landauer. Ein weiteres Beispiel ist das "Ballhaus" , ein lyrisches Flugblatt im Verlag A.R. Meyer. Hier geben sich Blass, Brod, Friedländer, Hardekopf, Max Herrmann-Neisse, Elese Laseker-Schüler, Schickele, Ernst Stadler, aber auch der Naturalist Arno Holz und der Anarchist Anselm Ruest die Ehre.

Der damalige Diskursraum zwischen künstlerischer und politischer Avantgarde zeichnet sich darin recht deutlich ab. Und es erweist sich, dass, auch wenn die Debatten durchaus kontrovers geführt wurden, hier wiederkehrende Bedeutungskomplexe ins Auge fallen, die, so heterogen sie erscheinen mögen, doch immer wieder nebeneinander Platz hatten – offenbar waren die verbindenden stärker als die trennenden Elemente.
Das gilt auch für die zweite Zeitschrift im Bachmair-Verlag, die "Revolution", die, obwohl nur insgesamt fünf Nummern 1913 erschienen, recht viel Aufsehen erregte, zumal bereits die erste Ausgabe wegen des Ball-Gedichts "Der Henker" beschlagnahmt wurde. Das lag allerdings nicht an den politischen Aussagen, sondern eher an der drastischen Darstellung sexueller Inhalte. So ging denn auch ein – nicht namentlich gekennzeichneter Brief in der Redaktion ein, den diese der zweiten Nummer voranstellte.

Der Leserbriefschreiber fordert mehr Politik, mehr Revolution von der Zeitschrift, obwohl er betont, dass ihm das Blatt prinzipiell sympathisch sei: "Zeitungspapier, zehn Pfennig, ohne Bibliophilie und Linienschmus - : bravo, bravo! (das ganze Café des Westens ist mit mir dieser Meinung.)"  Auffällig war die Zeitschrift schon einmal wegen ihrer Aufmachung, nämlich im Groß-Format (nahe unserem Din A 3), doch aller positiven Eindrücke zum Trotz äußert der Leser doch harsche Kritik, regt eine "Entlimonadisierung" an, keine Skizzen, Gedichte usw., sondern "Manifeste, Dekrete, Polemiken! Lassen Sie Ihr Blatt zu einer Pamphletfolge avancieren! Veranstalten Sie fortgesetzt Duelle zwischen den Mitarbeitern; veröffentlichen Sie Zuschriften. Leben! Radau!! Klamauk!!! Nicht Tumult der Gefühle, sondern Tumult der Ideen!"

Dieses Schreiben ist deshalb interessant, weil es einen direkten Eindruck des damaligen Zeitgeist vermittelt (zumal der Autor sich als Sprachrohr des gesamten "Cafés des Westens" geriert): gefordert wird also mehr Politik, mehr radikale Kommentare zur Sache, gewissermaßen eine Zeitschrift, die nur aus Manifesten besteht. Nicht nur das erinnert stark an dadaistisches Zeitschriftenverständnis, auch nimmt die Forderung nach Duellen zwischen den Mitarbeitern bereits das Pseudo-Duell zwischen Tristan Tzara und Hans Arp auf der Rehalp vorweg , und der sprachliche Gestus ("Leben! Radau!! Klamauk!!!") könnte auch einem Hülsenbeck-Manifest entstammen. Nun, die Identität des Verfassers wurde damals nicht gelüftet, von heute aus ist es wohl nicht weniger möglich, ein prä-dadaistisches Umfeld ist denkbar, wenigstens aber zeigt sich, dass im "Café des Westens" die Stimmung bereits 1913 in eine solche Richtung ging.

Das Mitarbeiter-Spektrum der "Revolution" war ähnlich vielschichtig wie bei den bislang erwähnten Organen, eine besondere Rolle kam hier der Nummer 5 zu, die Franz Jung als Sondernummer herausgab (immerhin in einer Auflage von 5000 Stück), um seinen Freund Otto Groß, der bekanntlich auf Veranlassung seines Wiener Vaters entmündigt und aus Berlin entführt wurde. Die Sondernummer der "Revolution" war Teil einer Kampagne, die Franz Jung zur Befreiung Groß' in Gang setzte und die er verschiedentlich beschrieben hat.  In der Folge setzten sich zahlreiche Intellektuelle für Groß ein, auch die "Aktion" steuerte Sonderbeiträge zu, was schließlich auch mit Erfolg gekrönt war.  In der "Revolution" schrieben neben Jung auch Erich Mühsam, Blaise Cendrars, Simon Guttmann (hier ohne "h") und Ludwig Rubiner (Letzterer übrigens bezeichnete sich, im Denken, als leidenschaftlicher Gegner von Groß' ).

Auch wenn der "Revolution" keine lange Lebensdauer beschieden war und sie nicht eindeutig politisch pointiert war, so zeitigte dieses Zeitschriftenprojekt doch Folgen. Als nämlich Wieland Herzfelde 1916 die "Neue Jugend" übernahm, betonte er im Nachwort als Absicht des neune Blattes "die Fortführung der Ideen, die einerseits der `Neuen Kunst´ und der zweiten Zeitschrift des ehemaligen Verlages Bachmair […] zugrunde lagen."  Dass er den Titel "Revolution" nicht nannte, mag auf die Bedingungen der verschärfte Zensur im Weltkrieg zurückzuführen sein, die damaligen Adressaten verstanden diesen Hinweis aber offensichtlich schon. Herzfelde kam zu dieser oft als erster Dada-Zeitschrift bezeichneten Organ auf abenteuerliche Weise, für 200 Mark kauften er und sein Bruder John Heartfield die bereits existierende Schülerzeitschrift nebst Verlag vom vormaligen Herausgeber Heinz Barger, der aus Sicherheitsgründen auch weiterhin als Herausgeber figurieren musste , da wegen der Papierknappheit in Kriegszeiten keine neuen Zeitschriften verlegt werden durften. Auch die Bedingungen, unter denen Herzfelde arbeitete, waren spektakulär, Kessler berichtet in seinen Tagebüchern davon. Die Mitarbeiterliste der "Neuen  Jugend" zeigt die bekannte Kontinuität: Däubler, Lasker-Schüler, Becher, Ehrenstein, Landauer, Mynona, aber auch neu hinzu gekommene Expressionisten Kasimir Edschmid und Georg Trakl sowie Richard Huelsenbeck.

Und am 1917 erschienenen "Almanach der Neuen Jugend", einer umfangreichen Anthologie in 5000er-Auflage, beteiligten sich gar Franz Kafka, Heinrich Mann, Franz Werfel (einer der Hauptvertreter des expressionistischen "O-Mensch-Pathos"!) und sogar Texte von Martin Buber und Annette Kolb, die allerdings Heinz Barger gegen Herzfeldes Willen in den "Almanach" eingeschleust, als dieser an der Front war. Es kam wohl deshalb auch zu einer handgreiflichen Auseinadersetzung und zum Bruch mit Barger , der eigentlich zugestimmt hatte, sich ganz aus der Redaktion der Zeitschrift und Verlag herauszuhalten.

Im Anschluss daran gelang es Herzfelde, den Oberkommandanten der Zensurstelle zu überzeugen, den Malik-Verlag gründen zu dürfen, wo ab jetzt auch die "Neue Jugend" erschien. Im Mai und Juni 1917 erschienen hier zwei Wochenausgaben, die den Beginn des Berliner Dadaismus markieren, speziell durch John Heartfields wegweisendes Layout, das einen endgültigen Bruch mit der Vergangenheit bewerkstelligte, ausgehend von einer ganz simplen Überlegung: "Eine Zeitung besteht aus Typographie, also wurde eben Typographie als Waffe eingesetzt."  Herzfelde hat den dadaistischen Charakter dieser und weiterer Zeitschriften des Malik-Verlages ("Die Pleite", "Jedermann sein eigener Fußball" usw.) stets abgewiegelt, wenn nicht geleugnet, sie vielmehr in den Zusammenhang der politischen Auseinandersetzung jener Zeit gestellt, den Verlag gewissermaßen als revolutionäres Unternehmen bezeichnet. 

1918 waren sein Bruder, er, Piscator und George Grosz der Kommunistischen Partei beigetreten und tatsächlich wurden nun die Grenzen dessen, wofür man stand und was in den eigenen Postillen veröffentlicht wurde, enger gezogen. Ein Beispiel dafür ist die Übernahme der Zeitschrift "Der Gegner. Blätter zur Kritik der Zeit" durch den Malik-Verlag: dieses Blatt wurde von April 1919 bis Oktober 1919 von Karl Otten gemeinsam mit Julian Gumperz herausgebracht, insgesamt sieben Hefte, deren „geistiges Zentrum“ Ottens Prosabeiträge bildeten.  Auch wenn Otten bisweilen, etwa in seinem Text "Die Stunde des Ostens" , das Hohelied des Bolschewismus singt, trennt ihn von den inzwischen stark radikalisierten Aktivisten des Malik-Verlags eine Welt. In einem Brief an Franz Jung (vom 30. Januar 1959) schreibt er dazu: „Ich distanzierte mich damals sehr stark von Malik und ähnlichem perniziösem Gelichter. Daher gingen wir aneinander vorbei. Ich gründete ja zuerst den >>Gegner<<, den mir diese Jungens dann aus der Hand wanden.“ 

Aus dem Vorwort Wieland Herzfeldes zum Reprint des „Gegners“ geht hervor, dass es zu dieser Entwicklung nicht zufällig gekommen war, sondern dass es sich um eine handfeste politische Differenz handelte; nach zwei Zitaten aus "Die Stunde des Ostens" erklärt Herzfelde: „Vermutlich waren solche urchristlich anmutenden utopischen Ideale die Ursache dafür, daß Otten niemals ein Wort im Malik Verlag veröffentlicht hat.“  Es ist nicht verwunderlich, dass die aktivistisch angestaubten, monistisch beeinflussten Einstellungen Ottens der stramm kommunistisch orientierten Malik-Truppe ein Dorn im Auge sein mussten. Rein technisch ging die „Übernahme“ des „Gegners“ durch dessen Verschmelzung mit der mit Malik-Verlag erscheinenden, dadaistischen Zeitschrift „Die Pleite“ vor sich. Initiator war, nach Herzfeldes Darstellung Ottens Mitherausgeber Julian Gumperz, der Herzfelde in einem Brief vorschlug, „der verbotenen „Pleite“ im „Gegner“ sozusagen Asyl zu gewähren.“ (ebd., S.4).

Nach Aussage Herzfeldes veranstaltete auch die "Neue Jugend" Autorenabende, und zwar schon 1916, also nicht erst unter der Flagge des Dadaismus, den ersten dieser Abende habe es am 13. September 1916 in Berlin gegeben, weitere Veranstaltungen, an denen sich Becher, Däubler, Ehrenstein, Lasker-Schüler  und er selbst beteiligten, seien in Dresden, München und Mannheim organisiert worden.  Auch hier ist wieder eine expressionistische und prä-expressionistische Autorenschar versammelt, und das ein Jahr, bevor in Berlin der Dadaismus ausbrach! Nimmt man dazu die völlig anders gearteten "Vorarbeiten" der "Freien Straße", die, vermittelt über Jung und Hausmann, ein starkes spirituell-psychologisches Element in die dadaistischen Aktivitäten einfließen ließen, wird das "literarisches Feld" Berlin-Dadas nahezu über-komplex.

Ich möchte an dieser Stelle nicht ins selbe Horn wie Herzfelde blasen und Berlin-Dada in seiner Bedeutung herabwiegeln, als eine politisch prekäre Privatsache Hülsenbecks bzw. eine Unternehmung Raoul Hausmanns darstellen. Aber es zeigt sich doch, dass die Grenzziehungen so einfach nicht sind. Zu viele Aspekte strahlen nach verschiedenen Seiten ab bzw. durchdringen einander. Gerade das heterogene Milieu der Berliner Avantgarde bedarf einer erweiterten Perspektive, die unterschiedlichste Einflüsse und Interaktionen mitberücksichtigt. Wenn man etwa sieht, dass Hugo Ball Berlin 1915 nicht zuletzt deshalb gen Zürich verlassen zu haben scheint, weil ihm die "Aktion" aufgrund einer Auseinandersetzung mit Pfemfert verschlossen war, zeigt sich die innige Verwobenheit der expressionistisch-politischen und der dadaistischen Kreise einmal mehr.
Es erscheint daher sinnvoll, das Milieu der Boheme sozialgeschichtlich aufzuarbeiten, um ein Spektrum wirkender Personen und Sacheinflüsse aufzuspannen, gewissermaßen ein dynamisches Organigramm der Avantgarde, dessen Kraftzentren der urbane Umgebungsraum und die geschichtlichen Ereignisse in ihren Kontinuitäten und Diskontinuitäten sind.

(erstveröffentlicht in: Hugo-Ball-Almanach, Neue Folge, Nr. 1, 2010, Edition text + kritik, München - dort auch die Zitatbelege)

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